Das Finanzamt argumentiert bei jeglichen festgestellten Fehlern in der Kassenführung regelmäßig mit dem AEAO zu § 158, dass diese so schwerwiegend sind, dass deswegen die gesamte Kassenführung und damit auch die Buchführung zu verwerfen ist.
Den festgestellten Mängeln kommt jedoch die sachliche Gewichtung der Mängel ausschlaggebende Bedeutung zu.
Das FG Münster hat mit Urteil vom 09.03.2021, Az.: 1 K 3085/17 konkretisiert, inwieweit noch geringfügige Mängel in der Kassenführung vorliegen, die nicht zur Hinzuschätzung auf einer Kalkulationsgrundlage berechtigen.
An fünf Tagen in einem dreijährigen Prüfungszeitraum wurden nachweislich geringe Bareinnahmen i. H. v. insgesamt unter 100 EUR nicht erfasst.
An neun Tagen wurden Kassenbewegungen um ein bis wenige Tage verspätet in der Kasse verbucht.
Dies sind im Verhältnis von ca. 25.000 bis 30.000 Geschäftsvorfällen im Kalenderjahr nur geringfügige Mängel.
Das Finanzamt hat im Rahmen der Geldverkehrsrechnung bei einer Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG nur geringe Unterdeckungen festgestellt und die erklärten Gewinne lagen in den Grenzen der Richtsatzsammlung.
Das Finanzgericht beschränkte die Hinzuschätzung auf die festgestellten Differenzen der Einnahmen i. H. v. 100 EUR und akzeptierte keine Verdreifachung des bisher erklärten Gewinns laut Ausbeutekalkulation.
Praktikerhinweis:
Es ist erst die Qualifikation der festgestellten formellen Mängel einer Kassenführung oder Buchführung hinsichtlich des sachlichen Gewichts der Mängel zu beurteilen. Haben die festgestellten formellen Mängel kein sachliches Gewicht, weil der Betrag oder die Anzahl zu gering sind, oder sich bei einer nur geringen zeitlichen Verschiebung auf das erklärte Ergebnis nicht auswirken, verbleibt es bei der Ordnungsmäßigkeitsvermutung gem. § 158 AO und es entsteht keine Hinzuschätzungsbefugnis auf der Grundlage einer Nachkalkulation schon dem Grunde nach.