§ 10 Abs. 1 UStG BFH-Urteil 26.08.2021 – V R 13/19 Vorinstanz FG Niedersachsen 28.02.2019 – 5 K 214/18, DStR 2019, 1398
Leitsatz
Die nach Kündigung eines Architektenvertrages zu zahlende Vergütung, ist nur insoweit Entgelt i.S. von § 10 Abs. 1 UStG, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt.
Im Streitfall war ein selbständiger Landschaftsarchitekt (Kläger) vom X-Kreis mit der Gestaltung von Freianlagen für zwei Schulen beauftragt. Der Vertrag war nach den lt. Vertrag geltenden „Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Architekten- und Ingenieursleistungen“ von beiden Parteien nur aus wichtigem Grund kündbar. Gem. besagter Vertragsbestimmungen erhält der Auftragnehmer, wenn er die Kündigung des Vertrages nicht zu vertreten hat, für die ihm übertragenen Leistungen die vereinbarte Vergütung nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB. Die ersparten Aufwendungen für die nicht erbrachten vertraglichen Leistungen werden (…) auf 40 %, bzw. (…) auf 60 % der vereinbarten Vergütung festgelegt.
Am 16.08.2016 teilte der X-Kreis dem Kläger mit, dass das Projekt für die zweite Schule aus finanziellen Gründen nicht mehr realisiert werden kann und bat um Schlussrechnung. Diese wurde am 02.01.2017 gestellt. Am 28.02.2017 wurde die Kündigung des Vertrages ausgesprochen. Die Vertragsbeteiligten einigten sich am 27.03.2017 darauf, dass der Kläger für tatsächlich erbrachte Planungsleistungen noch ein Honorar in Höhe von 22.747,66 € erhält und der X-Kreis dem Kläger darüber hinaus „ein Ausfallhonorar in Höhe von 52.252,34 € (ohne USt)“ zahlt.
Das Finanzamt ging im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung davon aus, dass es sich bei dem Ausfallhonorar um die Gegenleistung für den Verzicht des Klägers auf die Erfüllung des Architektenvertrages handele. Das FG bestätigte die Auffassung des Finanzamtes.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Der Entschädigungsanspruch nach § 649 Satz 2 BGB a. F. sei kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch. Deshalb stehe er nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Das folge auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22.11.2007 – VII ZR 83/05 (BGHZ 174, 267).
Der BFH stellte dazu fest, dass es für das Vorliegen einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unabdingbar ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein und muss einen Vorteil erhalten. So wird z.B. als steuerbarer Umsatz auch die vertragliche Auflösung eines Mietvertrages gegen Abfindung beurteilt. Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt in diesem Sinne, wenn die Zahlung erfolgt, weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat.
In Übereinstimmung mit früherer Rechtsprechung und Fachliteratur geht auch der BGH davon aus, dass die gemäß § 649 Satz 2 BGB a. F. nach Kündigung eines (Bau-)Vertrages zu zahlende Vergütung nur insoweit Entgelt i. S. d. § 10 Abs. 1 UStG ist, als sie auf schon erbrachte Leistungsteile entfällt.
Bezogen auf den Streitfall hat der BFH die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurückverwiesen, da die Feststellungen des FG eine Beurteilung des Sachverhaltes nicht zulassen.
Eine Steuerbarkeit und Steuerpflicht kommt nur in Betracht, wenn der Kläger eine Rechtsposition innegehabt und auf diese verzichtet hat. Daran bestehen aber Zweifel, wenn der Kläger das Vertragsverhältnis (hier: den Architektenvertrag) bereits am 28.02.2017 (vorzeitig) gekündigt hat, wovon die Beteiligten in der gütlichen Vereinbarung vom 27.03.2017 ausgegangen sind. In diesem Falle verfügte er im Zeitpunkt der Besprechung möglicherweise über keine (Vermögenswerte) Rechtsposition aus dem Architektenvertrag mehr, auf die er (gegen Entgelt) hätte verzichten können. Das FG hat in seinem Urteil lediglich festgestellt, dass die Kündigung des Architektenvertrages am 28.02.2017 ausgesprochen wurde, nicht aber von welcher Vertragspartei.