BFH vom 04.05.2022, XI R 29/91 (XI R 7/19)
Sachverhalt
Der Stpfl. erwarb im Jahr 2014 (Streitjahr) eine Photovoltaikanlage. Den seit 22.09.2014 erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz eines Netzbetreibers (X) ein.
Der Einspeisevertrag mit X vom 25.09.2014 sieht für den gelieferten Strom eine Vergütung pro kWh zuzüglich Umsatzsteuer vor. Entsprechend wurden in einer Gutschrift des X vom 19.01.2015 die im Streitjahr ausgeführten Stromlieferungen des Klägers an X abgerechnet.
Am 29.02.2016 reichte er eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein und zog darin u.a. die in der Rechnung vom 11.09.2014 offen ausgewiesene Umsatzsteuer (… €) als Vorsteuer ab.
Das Finanzamt stimmte der Steuererklärung zunächst zu, versagte später aber den Vorsteuerabzug für die Photovoltaikanlage, weil der Kläger nicht rechtzeitig (bis zum 31. Mai des Folgejahres) eine Zuordnungsentscheidung getroffen habe. Der Einspruch gegen die Festsetzung der USt blieb erfolglos.
Entscheidung des BFH
Allgemeines zur Zuordnungsentscheidung
Das Finanzgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Stpfl. der begehrte Vorsteuerabzug nicht zustehe, weil er die erforderliche Zuordnungsentscheidung gegenüber dem Finanzamt nicht innerhalb der Zuordnungsfrist mitgeteilt habe.
Der Stpfl. hat die Photovoltaikanlage rechtzeitig voll seinem Unternehmen zugeordnet!
Bei Bezug eines einheitlichen Gegenstands, der gemischt verwendet wird oder werden soll, steht nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH dem Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht zu:
Er kann den Gegenstand insgesamt seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder den Gegenstand entsprechend dem – geschätzten – unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen zuordnen (vgl. EuGH-Urteile Lennartz vom 11.07.1991 – C-97/90, EU:C:1991:315; Armbrecht vom 04.10.1995 – C-291/92, EU:C:1995:304, Rz 19 ff.; Bakcsi vom 08.03.2001 – C-415/98, EU:C:2001:136, Rz 25 ff.; BFH-Beschluss in BFHE 266, 472, BStBl II 2021, 118, Rz 18). Das Wahlrecht konnte der Stpfl. für den Erwerb der Photovoltaikanlage ausüben.
Und hat er das getan?
Nach der Entscheidung des BFH ist die Zuordnung zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögens bereits erfolgt, wenn anhand objektiver Anhaltspunkte, die innerhalb der Zuordnungsfrist erkennbar geworden sind, feststeht, dass der Stpfl. einen Gegenstand dem Unternehmen zugeordnet hat. In dem Fall ist entgegen dem Urteil des Finanzgerichts nicht zusätzlich erforderlich, dass er die erfolgte Zuordnung der Finanzverwaltung innerhalb dieser Frist mitteilt.
Denn andere objektive Beweisanzeichen der Zuordnung zum Unternehmensvermögen ersetzen die durch die Rechtsprechung definierte Mitteilungspflicht (bis zum 31.05. des Folgejahres). Die Aussage, dass die Zuordnung mitgeteilt werden muss, bezog sich folglich auf Situationen, in denen die Zuordnung nur aus einer (Steuer- oder Willens-)Erklärung gegenüber der Finanzverwaltung folgte.
Objektive andere Beweisanzeichen:
So kann zu berücksichtigen sein,
- ob der Unternehmer bei An- und Verkauf des gemischt genutzten Gegenstands unter seinem Firmennamen auftritt (vgl. BFH-Urteile vom 11.11.1993 – V R 52/91, BFHE 173, 239, BStBl II 1994, 335, Rz 14; vom 17.09.1998 – V R 27/96, BFH/NV 1999, 832, Rz 14),
- ob er den Gegenstand betrieblich oder privat versichert hat (BFH-Urteil in BFHE 197, 372, BStBl II 2003, 813, unter II.2.b cc) oder
- wie er den Gegenstand bilanziell bzw. ertragsteuerrechtlich behandelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 25.03.1988 – V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649; vom 17.12.2008 – XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798; in BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81, Rz 23; in BFH/NV 2013, 266, Rz 37; BFH-Beschluss in BFHE 266, 472, BStBl II 2021, 118, Rz 22).
Einen Nachweis durch Zeugenbeweis oder Parteivernehmung hat der BFH hingegen abgelehnt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 798, Rz 43).
Nach diesen Grundsätzen hat der Stpfl. im Anschaffungsjahre die Zuordnung in vollem Umfang zum Unternehmensvermögen dokumentiert. Dazu dient die Tatsache, dass im Laufe des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben und installiert wurde, ein Vertrag über den Weiterverkauf des von dieser Anlage erzeugten Stroms abgeschlossen wurde, wobei die Lieferung des Stroms umsatzsteuerbar und -pflichtig erfolgte. Dabei entsprachen die Bedingungen des Einspeisevertrages denen, die Unternehmern und nicht Privatpersonen angeboten wurden.
Fazit
In der Praxis erfolgt die Zuordnung im Übrigen durch die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung, mit der der Stpfl. die Erstattung der aus der Anschaffung resultierenden Vorsteuer begehrt.
Und, wenn die Vorsteuererstattung erst mit der Abgabe der USt-Jahreserklärung begehrt wird? Dann kann auf „andere Beweismittel“ für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen abgestellt werden. Ist für die gemischt genutzte Photovoltaikanlage ein Stromeinspeisevertrag bereits im Jahr der Anschaffung und Installation abgeschlossen worden, wonach die Stromlieferung steuerbar und -pflichtig erfolgt, ist allein damit die Dokumentation zur Zuordnung der gesamten Photovoltaikanlage zum Unternehmensvermögen erfolgt.