BFH-Urteil vom 17. November 2021, II R 39/19
Sachverhalt
Die Klägerin ist italienische Staatsangehörige. Ihr Vater, ebenfalls italienischer Staatsangehöriger, verstarb am 24. August 2015 mit letztem Wohnsitz in Italien und Nachlass dort. K war nach gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin eingesetzt worden. Sie informierte im November 2015 den Beklagten und Revisionsbeklagten (das zuständige Finanzamt – „FA“) über den Sachverhalt, aber auch darüber, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht für einen Erwerb erfordere.
Im September 2016 teilte die K mit, sie habe ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in Deutschland aufgegeben und sei ins Ausland verzogen. Danach habe sie in drei Teilakten am 19., 26. und 29.07.2016 in Italien die Annahme der Erbschaft erklärt. Auf Aufforderung des FA in Deutschland gab sie zwar eine Erbschaftssteuererklärung ab, vertrat aber die Auffassung, dass sie in Deutschland nicht steuerpflichtig sei. Ihrer Auffassung nach sei die Steuerpflicht erst nach Annahme der Erbschaft in Italien entstanden.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Steuer mit dem Tod des Erblassers entstanden sei, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Alt. 3, Satz 2 Buchst. a ErbStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und nicht erst mit Annahme der Erbschaft, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG.
Die Klägerin sei zwar gemäß Art. 459 Satz 1 des italienischen Zivilgesetzbuches (Codice Civile – „CC“) erst nach einem Zustand der Schwebe durch die konstitutiv wirkende Annahme der Erbschaft Erbin geworden. Die Annahme sei aber nicht als aufschiebende Bedingung zu qualifizieren.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Erwerb der Klägerin als Erbin nach ihrem Vater der Erbschaftssteuer nach dem ErbStG unterliegt. Die Steuer ist auf den Todestag des Vaters entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin zumindest ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.
Der BFH führt zunächst aus, dass aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der K im Inland, im Zeitpunkt des Erbfalls, eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat. Sie galt als Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers (hier 24. August 2015), sofern der Erwerb nicht unter einer aufschiebenden Bedingung steht, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Der Begriff der „Bedingung“ in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG knüpft an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung in § 158 Abs. 1 BGB an. Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 BGB ist die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass dessen Wirkungen von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen.
Sofern ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen wird, tritt die Wirkung des Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein (ex nunc). Der Eintritt der Bedingung entfaltet dabei keine rückwirkende Kraft (ex tunc). Bis zum Eintritt der Bedingung liegt ein schwebendes Rechtsgeschäft vor.
Aufgrund der Feststellungen des FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der Erbschaftserwerb nach Art. 456 ff. CC nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG steuerbar ist und somit als Erbanfall im Sinne des § 1922 BGB zu werten ist. Auch bewirkt die Annahme des Erbfalls nach italienischem Recht nicht allein einen Erwerb kraft Rechtsgeschäfts, sondern stellt nur ein neben anderen Voraussetzungen tretendes rechtsgeschäftliches Element dar.
Demnach kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass keine aufschiebende Bedingung vorliegt, sondern ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Die Erbschaftsannahme nach Art. 459 CC ist mit der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar. Die Erbschaft wird zwar erst mit der Annahmeerklärung erworben, sie wirkt aber nach Art. 459 Satz 2 CC (ex tunc) auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück.
Die Erbschaft fällt daher mit dem Zeitpunkt des Erbfalls an.
Bedeutung für die Praxis
Sofern ein Erwerb nach ausländischem Recht vorliegt, unterliegt dieser im Inland (ebenfalls) der Erbschaftssteuer, wenn die Rechtsfolgen einerseits als auch das wirtschaftliche Ergebnis einem in § 3 ErbStG genannten Tatbestand entsprechen.
Als Folge kann hieraus eine Doppelbesteuerung entstehen, sofern kein Doppelbesteuerungsabkommen für Erbschaftssteuerzwecke besteht. Abhilfe kann die Anrechnung nach § 21 ErbStG verschaffen. Diese ist jedoch an gewisse Voraussetzungen geknüpft, welche im Einzelfall zu untersuchen sind. Soweit möglich, sollten solche Fallkonstellationen (drohender Erbfall mit Auslandsbezug und Erbe Inländer) vorab strukturiert werden, damit die Steuerbelastung minimiert werden kann.