BFH-Urteil vom 01.09.2021
Leitsatz
Der Zeitpunkt, zu dem eine Versorgungszusage erstmalig erteilt wurde, bestimmt sich nach der zu einem Rechtsanspruch führenden arbeitsrechtlichen bzw. betriebsrentenrechtlichen Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers (Anschluss an BMF-Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 350).
Hat der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers mehrere Direktversicherungen abgeschlossen, ist die Frage, ob diese auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Das Fehlen oder Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann dabei lediglich als ein Indiz herangezogen werden. Es ist keine gesetzliche Voraussetzung für eine Neuzusage (entgegen BMF-Schreiben vom 24.07.2013, BStBl I 2013, 1022, Rz 355).
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber des Klägers am 01.01.1997 einen Vertrag zugunsten des Klägers über eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung bei der A-Versicherungsgesellschaft abgeschlossen. Die Versicherungsbeiträge wurden nach § 40b EStG in der bis zum 31.12.2004 gültigen Fassung – EStG a. F. – pauschal versteuert.
Im Rahmen einer im Jahre 2014 arbeitsgerichtlich vereinbarten Abfindungsregelung verpflichtete sich der Arbeitgeber, eine einmalige Zahlung als Entgeltumwandlung nach der Vervielfältigungsregelung gem. § 3 Nr. 63 EStG in der 2014 geltenden Fassung aus der vereinbarten Abfindung in eine Direktversicherung bei der B-Versicherung einzuzahlen.
Bei der durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde die Zahlung an die B-Versicherung nicht als nach der Vervielfältigungsregelung in § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG – 2014 steuerfrei anerkannt. Die Anwendung dieser Vorschrift sei nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer bei Beiträgen zu einer Direktversicherung auf die Steuerfreiheit der Beiträge zugunsten der weiteren Anwendung des § 40b EStG a. F. verzichtet habe. Die Beiträge an die A-Versicherung seien schließlich nach § 40b EStG a. F. pauschal versteuert worden.
Das FA erließ daher einen entsprechend nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten ESt-Bescheid für das Streitjahr.
Urteil des BFH
Der BFH urteilte, dass bei Vorliegen von zwei verschiedenen Direktversicherungen zu prüfen ist, ob diese auf einer oder auf verschiedenen Versorgungszusagen beruhen.
Das Fehlen oder das Vorliegen eines zusätzlichen biometrischen Risikos kann dabei zwar ein Indiz sein, eine gesetzliche Voraussetzung für das Vorliegen einer weiteren, selbständigen Versorgungszusage ist es aber nicht.
Im Streitfall ist hiernach hinsichtlich der bei der B–Versicherung abgeschlossenen Direktversicherung davon auszugehen, dass diese auf einer selbständigen, neuen Versorgungszusage beruht, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurde.
Der Arbeitgeber des Klägers erteilte diese Zusage im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs im Jahr 2014. Sie beruhte nach dem vom Finanzgericht bindend festgestellten Sachverhalt nicht auf vorherigen arbeitsvertraglichen Absprachen oder Wahloptionen des Klägers im Zusammenhang mit der zuvor erteilten Versorgungszusage.
Zugunsten des Klägers wurden aufgrund der Zusage und der entsprechenden Beitragsleistung des Arbeitgebers gänzlich neue Versorgungsansprüche begründet. Bei dieser Sachlage scheidet trotz des Fehlens eines neuen biometrischen Risikos das Vorliegen einer Altzusage aus.
Der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG auf die im Streitfall hiernach vorliegende Neuzusage steht auch der Umstand nicht entgegen, dass der Arbeitgeber zugunsten des Klägers bereits zuvor eine Altzusage erteilt und die Beiträge zu dieser Altzusage nach § 40b EStG a. F. pauschal versteuert hatte.
Zusammenfassung
Mehrere Zusagen zur betrieblichen Altersversorgung werden ggf. nicht einheitlich beurteilt!
Eine vollumfängliche Sachverhaltsaufklärung ist unerlässlich, um zum korrekten Ergebnis zu gelangen.