FG Sachsen-Anhalt, 3-V-276/21

(Beschluss vom 14.06.2021)

Zur Unternehmensfortführung: Stellen unentgeltliche und bedingungslose Übertragungen von GmbH-Anteilen an leitende Angestellte aufgrund strategischer Erwägungen zur Unternehmensfortführung Arbeitslohn dar oder eine Schenkung?

 

Sachverhalt

Im Rahmen der Gesellschafterversammlung im November 2013 war unter anderem das Thema Unternehmensnachfolge Gegenstand der Tagesordnungspunkte. Der Gesellschafter-Geschäftsführer E hatte im November 2012 das 65. Lebensjahr vollendet. Im Protokoll der Gesellschafterversammlung wird ausgeführt, dass im Rahmen der Regelung der Unternehmensnachfolge die Übertragung von Geschäftsanteilen geplant sei, wodurch die Unternehmensfortführung gesichert werden solle.

Die Übertragung der Geschäftsanteile solle zum einen an den gemeinsamen Sohn der beiden Gesellschafter, G, der als Arzt tätig ist, und zum anderen an die Mitglieder der Geschäftsleitung erfolgen. Hierzu sind neben der Antragstellerin vier weitere Personen namentlich benannt.

Die beiden bisherigen Gesellschafter hielten die Absicht fest, dass die genannten Personen das Unternehmen nach dem Wechsel in der Geschäftsleitung verantwortlich führen und leiten sollen.

Eine Führung und Leitung des Unternehmens nur durch den Sohn sei u. a. wegen der fehlenden unternehmerischen Erfahrung nicht gewährleistet. Deshalb werde der Erfolg der Gesellschaft in Zukunft von der stärkeren persönlichen Einbindung der bisher in der Geschäftsleitung tätigen Mitarbeiter abhängig sein, die vor diesem Hintergrund an der Gesellschaft beteiligt werden sollen.

In der Folge beschlossen die beiden Gesellschafter E und F (seine Ehefrau), nach Teilung der Geschäftsanteile, mittels Geschäftsanteilsübertragung- und Abtretungsvertrags die unentgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile zu je 5,08 % an u.a. die Antragstellerin „mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten mit schuldrechtlicher und wirtschaftlicher Wirkung ab dem 1. Januar 2014.“ Der Sohn G bekam Anteile von insgesamt 74,6 % übertragen.

Die Übertragung war an keinerlei Bedingungen oder Beschränkungen geknüpft, lediglich eine Rückfallklausel war dahingehend vereinbart, dass der Veräußerer berechtigt sein sollte, die Rückübertragung zu fordern, sofern das zuständige Finanzamt die Verschonungsregelungen nach § 13a, 13b, § 19 ErbStG nicht gewährt.

Betriebsprüfung

In der Zeit vom April 2015 bis zum Februar 2016 wurde für den Prüfungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Januar 2015 bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch das zuständige Finanzamt durchgeführt.

Hierbei gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass in dem unentgeltlichen Erwerb der Geschäftsanteile der fünf Arbeitnehmer ein als Arbeitslohn zu berücksichtigender geldwerter Vorteil zu sehen sei, der im Hinblick auf das bestehende und das (zukünftig) weitere Beschäftigungsverhältnis gewährt werde.

Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt

 

Leitsätze

(gekürzt) Wollen Ehegatten als Gesellschafter einer GmbH zwar eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herbeiführen, sehen sie aber eine alleinige Übertragung der Anteile an ihren gemeinsamen Sohn […] als kritisch an und erwarten sie, dass die Unternehmensnachfolge bei einer Übertragung der wesentlichen Anteile auf den Sohn nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein kann, wenn fünf leitende Angestellte der GmbH ebenfalls einen Anteil an der GmbH (im Streitfall von jeweils 5,08 %) übertragen bekommen, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob die Übertragung der Anteile bei den leitenden Angestellten zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt, wenn der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag weder einen Grund für die Übertragung angibt noch eine Gegenleistung verlangt noch regelt, dass die Übertragung der Anteile etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste der leitenden Angestellten für die Gesellschaft erfolgen soll, und wenn auch keinerlei „Haltefrist” für die Anteile vereinbart oder geregelt wird […] und wenn die Übertragung vielmehr „vorbehalt- und bedingungslos” erfolgen soll.

Letztlich handelt es sich damit um eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern soll, bei der gesellschaftsrechtliche strategische Überlegungen im Vordergrund stehen und der durch die gesellschaftsrechtlich motivierte Schenkung eine Sonderrechts-beziehung zugrunde liegt, die auch selbständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen kann und somit nicht zu Arbeitslohn führt.

Das Finanzgericht entschied zugunsten der Antragstellerin.

Das FG führt aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zwar auch andere Bezüge und Vorteile gehören, die „für” eine Beschäftigung gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).

Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Damit kann auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung von GmbH-Anteilen zu Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt wird.

Dagegen liegt dann kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.

Nach den o.g. Grundsätzen steht zwar der Annahme von Arbeitslohn nicht entgegen, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber der Antragstellerin, sondern von den Gesellschaftern des Arbeitgebers, also von Dritten, erfolgt ist. Jedoch sprechen gewichtige Argumente dafür, dass die Zuwendung nicht aufgrund des Dienstverhältnisses erfolgt ist. Demnach liegt kein einkommensteuerbarer Sachverhalt vor, sondern ein der Schenkungsteuer unterliegender Vorgang.

Die Übertragung der Gesellschaftsteile stellt sich bei objektiver Betrachtung gerade nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers dar. Dies jedoch wäre für eine Einordnung als nichtselbständige Einkünfte notwendig.

Im Geschäftsanteilsübertragungsvertrag finden sich darüber hinaus keinerlei Ausführungen zu dem Grund der Übertragung. Weiter wurden auch keinerlei Gegenleistungen vereinbart oder geregelt. Es gab keine Verknüpfung der Anteilsübertragung an zukünftige Dienste für die GmbH und auch keine Haltefristen, sodass auch eine Veräußerung hätte erfolgen können. Die Übertragung erfolgte somit „vorbehalt- und bedingungslos”.

Motiv der Übertragung war zudem für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge. Die Gründungsgesellschafter wollten zwar eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herbeiführen, sahen aber eine alleinige Übertragung an den Sohn auf Grund dessen anderweitiger beruflicher Erfahrung und fehlenden unternehmerischen Erfahrung als kritisch an. Letztlich handelt es sich damit eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern sollte und sich daher auf Grund der gewählten Vertragsgestaltung aus objektiver Sicht nicht als Arbeitslohn darstellt.

Allein die Hoffnung der Altgesellschafter auf eine fortdauernde Tätigkeit der Antragstellerin für die Gesellschaft auch nach der Anteilsübertragung reicht für die Annahme von Arbeitslohn nicht aus.

Hinweise für die Praxis

Das FG führt hier deutlich aus, dass die Erwägungen der Veräußerer ausschlaggebend waren für die steuerliche Einordnung.

Im Vordergrund standen für die (ehemaligen) Gründungsgesellschafter der Fortbestand ihres Unternehmens. Die Übertragung an die 5 leitenden Angestellten erfolgte aus dem Aspekt der Nachfolgeplanung und nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.

Dies ist bei ähnlichen Überlegungen zu beachten.

Im vorliegenden Streitfall wurde im Rahmen des Anteilsübertragungsvertrags kein Bezug zu der Arbeitsleistung der Angestellten genommen und die Übertragungen erfolgten „vorbehalt- und bedingungslos“.

Dies war im Ergebnis entscheidend für das Vorliegen einer Schenkung.

Aufgrund der Verschonungsregelungen konnte die Übertragung somit (vermutlich) komplett steuerfrei erfolgen.

Wäre die Einordnung als Arbeitslohn erfolgt, hätte dies zu erheblichen Steuerzahlungen für die Angestellten geführt.